Erfahrungsberichte: Muttersprachler als Deutschlehrer in Holland

Lehrer-in-Holland-Interview-Bettina-Merten-Klassenraum

Lena van Dijk

  • Schule: OSG Sevenwolden in Heerenveen
  • Studium: Lehrerausbildung an der NHL in Leeuwarden (Docent Duits 2de graads), studiert aktuell noch für die Oberstufe an der Rijksuniversiteit Groningen (Docent Duits 1e graads)

Ich bin Deutschlehrerin in den Niederlanden und insgesamt sehr zufrieden mit meiner Berufswahl. Allerdings möchte ich beginnenden Lehrern ans Herz legen, dass es kulturelle Unterschiede gibt, mit denen man sich vor der Entscheidung in die Niederlande zu gehen auf jeden Fall auseinandersetzten sollte. Der Status des Lehrers beispielsweise ist in den Niederlanden ein anderer als in Deutschland. Das muss man wissen! Man muss ihn sich in den Niederlanden härter erarbeiten und besitzt nicht automatisch eine gewisse Autorität. Besonders Deutsch ist als Fach nicht das beliebteste, es bedarf viel Kreativität die Schüler zu motivieren und zu begeistern.

„Der Status des Lehrers ist in den Niederlanden ein anderer als in Deutschland. Das muss man wissen!“

Dazu muss ich aber sagen, dass ich an einer ländlich gelegenen Schule arbeite, wo das wahrscheinlich noch viel einfacher ist, als in der Stadt. Um ein Verhältnis zu seinen Schülern aufzubauen ist es außerdem ganz entscheidend, dass man Niederländisch sprechen kann. Wenn man das geschafft hat, erfahre ich meine Schüler als aufgeschlossen, neugierig und engagiert.

Aber auch auf das Leben in den Niederlanden sollte man sich vorbereiten. Das Finden einer Wohnung zum Beispiel ist häufig deutlich schwieriger als in Deutschland. Was ich abschließend noch mitgeben möchte: Es gibt die Möglichkeit auch mal in den Schulalltag einer niederländischen Schule hinein zu schnuppern. Nutzt die Chance!

Bettina Merten

 

  •  Schule: Ir. Lely Lyceum in Amsterdam: alle Klassen und Niveaus
  • Studium: M.A. Duitse taal- en letterkunde an der Universiteit van Amsterdam, Lehrerausbildung (Docent Duits 1e graads) an der Vrije Universiteit Amsterdam

In den Beruf der Deutschlehrerin bin ich sozusagen reingerollt. Während meines Bachelorstudiums hatte ich die Chance als Vertretungslehrerin an einem Gymnasium in Amsterdam zu arbeiten. Das hat mir überraschend gut gefallen.

 „Meine Schüler sagen was sie denken – sie sind mündig!“

Ich kannte bereits die niederländische Sprache und Kultur, was mir vieles auf dem Weg zur Deutschlehrerin in den Niederlanden erleichtert hat. Es hat mir geholfen zu verstehen, warum die Schüler sind, wie sie sind. Niederländische Schüler sagen, was sie denken – sie sind mündig und laut. Diese Mündigkeit erfahre ich aber als positiv, denn dadurch können interessante Diskussionen entstehen. Dafür habe ich in meinem Unterricht auch Zeit, in der Lehrplangestaltung fühle ich mich frei. Deswegen sollte man auch unbedingt Offenheit, Toleranz und Kreativität mitbringen.

Für den Kontakt mit den Kollegen, den Schülern und auch den Eltern ist es außerdem wichtig Niederländisch zu können. Das möchte ich den beginnenden Deutschlehrern unbedingt mit auf den Weg geben.

Raiko Schramm

  • Schulen: Ignatius Gymnasium und Cygnus Gymnasium Amsterdam, Unterstufe
  • Studium: M.A. Germanistik, Romanistik und angewandte Sprachwissenschaften an der Universität Leipzig, Lehrerausbildung an der Universiteit Leiden (Docent Duits 1e graads) im Rahmen des Programms “Vom Assistenten zum Deutschlehrer”

Ich arbeite seit 6 Jahren als Deutschlehrer in den Niederlanden. Ich war bereits an mehreren Schulen tätig. Obwohl ich eigentlich nicht den Berufswunsch Lehrer hatte, hat es mich schlussendlich in die Niederlande verschlagen – auch weil hier eine verkürzte Lehrerausbildung angeboten wurde.

„Manchmal muss man einfach loslassen können.”

Der Schulalltag ist mit dem deutschen nicht zu vergleichen. Ich bin in der DDR aufgewachsen, dort herrschte ein ganz anderes Unterrichtsklima und die Distanz zwischen Lehrer und Schülern war teilweise enorm. Hier werden die Kinder anders erzogen. Das kann Vor- und Nachteile haben. Es ist aber schon ungewohnt, als neuer Lehrer in eine Klasse zu kommen und sogleich nach Persönlichem wie Beziehungsstatus, Kindern und Hobbies gefragt zu werden.

Um als Lehrer in den Niederlanden zu arbeiten, braucht man aber schon starke Nerven sowie soziale Kompetenz und Fremdsprachenkenntnisse. Man sollte weltoffen, anderen Kulturen gegenüber aufgeschlossen und sehr tolerant sein. Außerdem muss man manchmal einfach loslassen können, sich nicht zu lange ärgern, wenn etwas nicht nach Plan verläuft.Von großem Vorteil ist es, dass niederländische Schulen besser ausgestattet und fortschrittlicher im Gebrauch von digitalen Medien sind. Außerdem ist das niederländische Schulsystem nicht föderal wie in Deutschland – das vereinfacht vieles. Zudem sind die Niederländer den Deutschen bei der Inklusion weit voraus, die Begleitung von Schülern mit Auffälligkeiten wie Dyslexie und ADHD ist hier hervorragend.

Bei Problemen wird man als Anfänger im Lehrerberuf sehr gut begleitet.

Bei Problemen wird man als Anfänger im Lehrerberuf sehr gut begleitet. Im ersten Jahr steht einem ein Coach zur Seite, es finden Treffen zum Erfahrungsaustausch mit anderen Neu-Lehrern statt und es gibt genügend Informationsmaterial. Auch danach wird man mit Problemen nicht allein gelassen. Je nach Problem wendet man sich an Fachgruppenleiter, Klassenlehrer, Abteilungsleiter oder (Teil-)Schulleiter.

Kulturell bestehen letztendlich mehr Unterschiede, als man zunächst erwartet: Es ist zum Beispiel schwierig, sich über den Beruf ein soziales Umfeld aufzubauen. Die Niederländer scheinen Beruf und Freizeit strikt zu trennen. Man muss sich also in seiner Freizeit unbedingt engagieren, um Kontakte zu knüpfen. Auch das Problemlösungsverhalten ist meiner Erfahrung nach anders: Der Niederländer will eine schnelle Lösung, der Deutsche sucht eher eine längerfristige Lösung. Die Niederländer sind im Allgemeinen auch viel direkter. 

        


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